"Le coeur a ses raisons que la raison ne connaît point." "L'homme est un roseau, le plus faible de la nature, mais c'est un roseau pensant." "La justice sans la force est impuissante. La force sans la justice est tyrannique." Wer ein wenig in den Geisteswissenschaften bewandert ist, der ist sicherlich schon einmal über diese oder andere Zitate des französischen Denkers Blaise Pascal gestolpert. Wer war dieser Mensch, der nicht nur als großer Philosoph, sondern als ebenso großer Mathematiker und Physiker in die Geschichte eingegangen ist? Geboren in eine wohlhabende Familie in Clermont-Ferrand, zeigte Blaise Pascal schon sehr früh seine bemerkenswerte Intelligenz. Durch seinen Vater, Étienne Pascal, einem Juristen und Mathematiker, entdeckte Blaise Pascal die Welt der Zahlen. Im Alter von nur 19 Jahren schuf das junge Genie eine der ersten mechanischen Rechenmaschinen, die sogenannte "Roue Pascaline" oder einfach "Pascaline". Damit konnte man Zahlen bis zu 10 Millionen rechnen! Andere mathematische Errungenschaften sind das sogenannte Pascal'sche Dreieck, das er mit 20 Jahren formulierte. Außerdem begründete er die Wahrscheinlichkeitsrechnungen und experimentierte mit Barometern. Er fand z.B. heraus, dass es das Vakuum in der Natur wirklich gibt, entgegen klassischer Annahmen.
Mathematik und Philosophie
Man muss sich vor Augen halten, dass die rationale Philosophie und die Mathematik zum selben Zeitpunkt am selben Ort, nämlich im 5. Jahrhundert v. Chr. in Griechenland entstanden sind. Es gibt viele Gemeinsamkeiten: Beide Disziplinen benutzen einen formalen und rationalen Diskurs, um abstrakte Fragen zu beantworten. Die mathematischen Prinzipien der Klarheit, der Präzision und der logischen Schlussfolgerung sind essentiell für die Philosophie und es gibt viele Philosophen wie z.B. Descartes, Spinoza und eben auch Pascal die sich diesen Idealen verschrieben hatten. Aber: die Philosophie lebt auch von der Kraft der Wörter, und insbesondere von ihren Zweideutigkeiten. Die werden in der Mathematik durch Formalisierung total ausgeblendet - weshalb die Mathematik auch nur einen Teil der Welt beschreibt und z.B. nicht das erfassen kann, was die Poesie beschreibt.
Le cœur a ses raisons...
Was sind nun Pascals Gedanken? Gehen wir von obigen Zitaten aus: "Le coeur a ses raison que la raison ne connaît point." Auf Deutsch etwas holprig: "Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt." Man hat darin oft und fälschlicherweise einen Kommentar zur romantischen Liebe gesehen: die Liebe, die die Grenzen des Vernünftigen und des Nachvollziehbaren übersteigt, à la Romeo und Julia. Pascal geht es aber um ganz etwas anderes, nämlich um das Wissen. Pascal sagt uns, dass der Verstand, "la raison", nicht der einzige Weg zu den Gründen, "les raisons" ist. Er sagte, dass das Herz eine Form von Wissen eröffnen kann, die der Verstand nicht bietet. Pascal denkt hier insbesondere an die Existenz Gottes, die sich für ihn nicht vernünftig erklären kann, die man aber in seinem Herzen spüren kann. Also handelt es sich hier tatsächlich um ein Plädoyer für die Intuition und das Gefühl, gegenüber der kalten Vernunft.
Pari de Pascal
Sein Argument geht noch weiter: Wenn wir nicht an Gott glauben, dann gewinne ich zwar ein Gefühl von Unabhängigkeit und von Freiheit hier unten auf Erden, aber ich könnte mir dadurch den Zugang zum Paradis versperren. Wenn ich aber auf Erden an Gott glaube, dann gebe ich zwar einen Teil meiner Unabhängigkeit hier unten auf, aber ich habe die Chance auf ein ewiges Leben da oben, im Paradies. Anders gesagt: mit einem endlichen Einsatz kann ich einen unendlichen Gewinn machen, während ich im Gegenzug einen unendlichen Verlust riskiere, wenn ich mich für ein endliches Leben in Freiheit entscheide. Dieses Argument ist als die Pascal'sche Wette in die Geschichte eingegangen.
Le roseau pensant
"L'homme est un roseau pensant", "der Mensch ist nur ein Schilfrohr, das schwächste der Natur, aber ein denkendes Schilfrohr". Wir Menschen - so meint es Pascal - sind von Natur aus schwache, verletzliche Wesen, den Elementen und der Natur ausgesetzt und unbeständig wie das Schilfrohr im Wind. Aber wir sind auch die Wesen, die um ihre Schwäche wissen, die ihre Grenzen kennen und die verstehen, was ihr Platz in der Welt ist. Anders gesagt: des Menschen Stärke liegt in der Kenntnis seiner Schwäche und seiner Sterblichkeit. Der Mensch wird also von einer gewissen Ambivalenz durchzogen: der Ahnung von Größe und Ewigkeit einerseits und dem gleichzeitigen Bewusstsein von Schwäche und Vergänglichkeit andererseits. Auf der einen Seite die Würde metaphysischer Reflexion, auf der anderen Seite die Verlorenheit des Menschen inmitten eines ihm feindlich gesinnten Kosmos. Und ich ende mit einem letzten, schönen Zitat, meinem Lieblingszitat. Pascal sagt hier über das Universum: "Le silence éternel de ces espaces infinis m'effraie." Wir sind die einzigen Lebewesen, die um die Unendlichkeit des Universums wissen. Und wir sind zugleich die einzigen, denen dieses Wissen Furcht einflößt.