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Seismograph

Was ist ein Versprechen?

Dëse Sonndeg sinn am ganze Land Gemengewalen. Am Virfeld däerften déi allermeescht Kandidatinnen a Kandidate ganz vill Reklamm fir sech selwer, fir hir Parteien a fir Iddie gemaach hunn. Dobäi goufe warscheinlech och déi eng oder aner Versprieche gemaach, nom Motto: "Wann Dir mech wielt, da verspriechen ech Iech, dat..." Mee wat maache mir eigentlech, wa mir eppes verspriechen? Wéini ass ee Versprieche glafwierdeg? A wou sinn d'Grenze vun de Verspriechen?

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4 min

Im Laufe unseres Lebens machen wir viele Versprechen. Einige sprechen wir ganz beiläufig aus, z.B. wenn ich dir verspreche, heute pünktlich im Studio zu erscheinen. Einige Versprechen sind eben banal, und werden vielleicht deshalb auch allzu schnell gebrochen, aber ebenso schnell wieder vergeben. Andere Versprechen strukturieren unser Leben und machen den Kitt zwischenmenschlicher Beziehungen aus, wie z.B. wenn ich jemandem die ewige Treue verspreche, in guten wie in schlechten Zeiten, bei Gesundheit und Krankheit, oder wenn ich verspreche, ein Geheimnis mit ins Grab zu nehmen. Wenn wir etwas versprechen, dann sprechen wir eben nicht nur, sondern wir vollführen damit eine Handlung. In der Philosophie nennt man das einen Sprechakt. Ich sage nicht einfach nur etwas, wie z.B. dass gerade die Sonne scheint oder dass ich mich traurig fühle oder dass ich Lukas Held heiße, was ja alles Sätze sind, die wahr oder falsch sein können. Wenn ich etwas verspreche, dann geht es nicht um richtig oder falsch, sondern dann ändere ich sozusagen den Zustand der Welt, dann schaffe ich mit meinen Worten einen neuen Sachverhalt. Wenn ich jemandem also etwas verspreche, dann haben wir beide ein Einverständnis darüber, dass jetzt eine Bindung zwischen uns existiert.

Was man (nicht) verspricht

Was kann man eigentlich versprechen? Streng genommen kann man nur Handlungen versprechen. Das hatte auch schon Friedrich Nietzsche erkannt, als er schrieb, dass "man Handlungen versprechen kann, aber keine Empfindungen, denn diese sind unwillkürlich." Anders gesagt: es ist völlig illusorisch jemandem die ewige Freundschaft oder sogar die ewige Liebe zu versprechen. Meine Gefühle liegen nicht in meiner Macht und können sich im Laufe der Zeit ändern. Ich kann aber immer Taten versprechen, ich kann z.B. versprechen, dass ich eine Person in meinen Handlungen immer respektieren werde, obwohl ich sie vielleicht längst nicht mehr liebe. Nietzsche drückt das ganz bissig aus: Wenn man jemandem ewige Liebe verspricht, dann - so Nietzsche - "verspricht man die Andauer des Anscheines der Liebe" - aber eben nicht die Liebe selbst.

Was macht ein Versprechen aus?

In einem Versprechen ist immer die Dimension des Anderen mitgedacht. Entweder ich verspreche anderen Person etwas, was ja meistens der Fall ist. Oder ich verspreche mir selbst etwas, z.B. dass ich mit dem Trinken aufhöre. Letzteres ist, wie man sich vorstellen kann, aber sehr viel schwieriger, weshalb es gut ist, Versprechen in der Welt zu verankern, z.B. im Gespräch mit anderen. Im Falle eine Hochzeit z.B. vor Gott, oder im Falle eines Suchtproblems vor dem Therapeuten. Es kommt aber noch eine andere wichtige Dimension beim Versprechen hinzu, nämlich die Zukunft. Wenn ich etwas verspreche, dann tue ich etwas ganz und gar Magisches. Ich bestimme jetzt, in der Gegenwart, wer ich in der Zukunft sein werde. Wenn ich z.B. meinem Partner oder meiner Partnerin die ewige Treue verspreche, dann definiere ich mich in der Zukunft als jemand, der nicht fremdgegangen sein wird. Nietzsche hat das die "lange Kette des Willens" genannt, die wir durch unser Versprechen in die Zeit spannen. Anders gesagt: Ich entwerfe mich selbst in der Zukunft, ich entscheide jetzt, wer ich sein werde. Allerdings meint Nietzsche, dass zwar jeder diese Kette spannen kann, aber nicht jeder dies tun darf. Um etwas zu versprechen muss man sich selbst sehr gut kennen, man muss wissen, dass die Kette, die man in die Zukunft spannt, trotz aller Widerstände nicht reißen wird. Man muss, wie es Nietzsche sagt, "Herr seines freien Willens" sein. Man muss souverän sein. Und wenn man das unter Beweis gestellt hat, dann ist man glaubwürdig. Diese Glaubwürdigkeit ist tatsächlich das Fundament des Versprechens. Seit Anbeginn unserer Geschichte haben wir Menschen versucht, diese Glaubwürdigkeit zu zementieren und zu institutionalisieren. Das gesamte ökonomische System dieser Welt basiert übrigens auf einer speziellen Form des Versprechens, nämlich der Schuld. Ein contrat de prêt ist tatsächlich nichts anderes als ein auf Papier gebrachter Glaubensbefund - der Glaube in mich als Person, der Glaube in die Bank, der Glaube in das monetäre System, etc. Das Wort Credit kommt übrigens vom lateinischen credere und bedeutet nichts anderes als "er/sie glaubt".

Was versprechen PolitikerInnen?

Ein politisches Versprechen ist etwas anderes als z.B. das Versprechen ewiger Treue. Die Politik ist schließlich die Kunst der Verhandlung und des Kompromisses, immer ausgehend von gegebenen Umständen. Eine Politikerin, die ein Versprechen auf sehr lange Zeit macht, wäre mir äußerst suspekt, da Nietzsches "lange Kette des Willens" in der Politik eben nicht stramm gespannt sondern eher flexibel sein muss. Ein politisches Versprechen sagt nicht, wie die Welt in der Zukunft mit Sicherheit sein wird - das wäre schlicht Fanatismus. Nein, ein politisches Versprechen entwirft sich in die offene Zukunft hinein und versucht, die Menschen für ein Projekt zu begeistern, damit diese Zukunft gemeinsam gestaltet werden kann. Ein politisches Versprechen bietet keine Garantie, vielmehr ist es eine Einladung, ein Entwurf. Es geht nicht darum, wie die Welt sein wird, sondern wie die Welt sein könnte - auch wenn wahrscheinlich und wie immer anders kommt, als man es geplant hat.