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Seismograph

Über Altersdiskriminierung und Bildschirme in Corona-Zeiten

Der Philosophe Lukas Held stellt aktuelle Konferenzen vor, die sich mit Altersdiskriminierung sowie unserer Verbindung zum Bildschirm in Corona-Zeiten auseinandersetzen.

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3 min

Der Philosophe Lukas Held. Foto: Archiv

Simon Larosche: Du hast heute einige Veranstaltungstipps für uns.

Lukas Held: Angefangen mit einem wirklich sehr spannenden Event, das in Montréal stattfindet, und zwar morgen, Samstag und Sonntag (also vom 26. bis zum 28. 2.). Die Philopolis - so der Name des Events - wird von Studierenden der französisch- und englischsprachigen Universitäten Montréals organisiert. Es handelt sich dabei um ein Forum für philosophische Reflexion und intellektuellen Austausch philosophisch Interessierter - und das Schöne ist, dass es dabei egal ist, wie fortgeschritten man ist - alle sind willkommen. Das Event findet dieses Jahr integral online statt, via Zoom, und ich muss sagen, dass das Programm sehr interessant ist.

Es ist wirklich von allem etwas dabei, von politischer Philosophie über Metaphysik, Epistemologie oder klassisch einfach Philosophie der Geschichte. Interessant sind auch die drei Keynote-Speaker, wobei ich insbesondere eine Konferenz hervorheben will, nämlich die des Philosophen Mauro Carbone zum Thema "Les écrans dans la pandémie". Carbone war übrigens bereits vor rund einem Jahr, in der guten alten Zeit, im Casino zu Gast, wo er über den Zusammenhang zwischen unserem Körper und den Bildschirmen referiert hat. Die Pandemie dürfte seine Reflexionen dabei noch etwas weiter vorangetrieben haben, schließlich sitzen wir momentan alle andauernd vor den schwarzen Spiegeln unserer Handys und Laptops. Seine Konferenz findet morgen um 12 Uhr Ortszeit statt, was dann 18 Uhr hier in Luxembourg ist - beste Philosophie-Zeit also.

Was hast du noch dabei?

Vom fernen Quebec geht es jetzt in heimischere Gefilde. Heute Abend um 20 Uhr findet an der UCL in Louvain-La-Neuve (übrigens meine alte Alma Mater) eine Konferez des Philosophen Grégory Ponthière statt, und zwar zum Thema "Inégalités face à la mort: un argument pour la discrimination par âge?". Die Konferenz wird via Teams übetragen und alle Informationen finden sich auch auf unserer Website. Nun hat das Thema "Altersdiskriminierung" ja eine besondere Aktualität in der Corona-Krise bekommen insofern Menschen ab 65 natürlich viel stärker im Fokus des öffentlichen Diskurses stehen, als früher. Ältere Menschen werden als Risikogruppe eingestuft und deshalb meiner Meinung nach auch zurecht in der Impfkampagne priorisiert.

Zugleich mussten sich viele ältere Menschen - ob freiwillig oder nicht - sozial Isolieren, ihre Kontakte einschränken, sie mussten sich Einschnitte in das Selbstbestimmungsrecht bzw. Mitspracherecht sowie diskriminierende Bemerkungen gefallen lassen. Insbesondere die 65-Jahre Regel wird von vielen Betroffenen als willkürlich empfunden (warum nicht 66 oder 64 Jahre?). Inwiefern hat die Covid-Pandemie den gesellschaftlichen Blick auf alte Menschen verändert? Wann schlägt Vorsicht in Bevormundung um? Und auf der anderen Seite: wie viele Mittel sollte eine Gesellschaft bereitstellen, um das gefährdete Leben alter Menschen zu bewahren? Diese wichtigen Fragen werden Thema dieser Konferenz sein.

Also heute Abend, um 20 Uhr via Teams. Und zu guter Letzt hast du noch ein kleines Büchlein dabei...

Ja ein wirklich besonderes Buch, nämlich des französischen Philosophieurgesteins Alain Badiou - mit dem schönen Titel Alain Badiou par Alain Badiou. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von Vorträgen und Interviews, die Badiou für und mit Schülern und Lehrern eines flämischen Lycées gehalten hat. Der Ton ist dementsprechend locker, die Inhalte sind äußerst zugänglich und man gewinnt wirklich eine exzellente Übersicht über das Denken Badious.

Die Tatsache, dass er zu Schülerinnen spricht, macht die Sache umso interessanter als er versucht nicht nur eine Zusammenfassung seiner Philosophie zu geben, sondern auch deren Aktualität und Potential zu unterstreichen. Für die die ihn nicht kennen: Alain Badiou kann man ohne Zweifel als den am meisten besprochenen und gelesenen zeitgenössischen französischen Philosophen bezeichnen - sowohl im Bereich der politischen Philosophie als auch der Metaphysik. Und anstatt dass ich hier lange über ihn rede empfehle ich einfach, sich selbst ein Bild seiner Philosophie zu machen - absolute Kaufempfehlung.