Radioen

On air

Resonanzen  |  John Williams - Main Title, aus 'Jurassic Park' (Film) - Hollywood Bowl Orchestra, John Mauceri (Dir.)

play_arrow Live
arrow_back_ios

100komma7.lu

100komma7.lu

/ Was ist ein Sprechakt?

Seismograph

Was ist ein Sprechakt?

Wenn man jemande als "Schwätzer" bezeichnet, dann ist das meist kein Kompliment. Ein Schwätzer ist jemand, der eben nur "schwätzt", ohne wirklich etwas zu machen. Wir stellen allgemein das Reden dem Machen gegenüber: auf der einen Seite leere Worte, auf der anderen Seite konkrete Taten. Dass man aber auch mit Worten Taten vollbringen kann, dass man beim Reden etwas macht, das theorisierte der britische Philosoph John Longshaw Austin vor rund 60 Jahren.

auto_stories

4 min

Die Theorie der speech acts wurde vor 60 Jahren vom britischen Philosophen John Langshaw Austin entworfen. Sein berühmtestes und einflussreichstes Werk erschien übrigens posthum, im Jahre 1962. Austin verstarb bereits im Jahr 1960. Dieses extrem einflussreiche Werk trägt den Titel How to do things with words - und dieser Titel allein ist schon vielsagend. Austin behauptet hier, dass Sprache nicht allein der Übertragung von Informationen diene, wie wenn ich z.B. sage "Mein Bauch schmerzt" oder "Dein Pullover ist blau" oder "Es ist ziemlich kühl heute". Für John Austin dient Sprache auch als Mittel zur Ausführung einer Handlung - und zwar einer Handlung, die das Potential hat, den Sprecher, den Zuhörer, ja eigentlich den Zustand der Welt zu verändern. Das bedeutet, die Trennung zwischen Worten und Handlungen, zwischen "reden" und "machen", die ist gar nicht so eindeutig.

Performative Aussagen

Nehmen wir z.B. die Aussage "Ich taufe dich auf den Namen Gabriel" oder "Ich wette mit dir 5 Euro, dass er zu spät kommen wird" oder "Ich verspreche dir, dass ich dich nicht im Stich lassen werde" oder "Ich möchte mich bei dir entschuldigen" oder auch der Satz "Ja, ich will" im Kontext einer Hochzeit. Es handelt sich bei all diesen Beispielen um Sätze, die nichts beschreiben, die nichts feststellen und die deshalb auch gar nicht wahr oder falsch sein können. Der Satz "Auf dem Kirchberg tobt jetzt gerade ein Schneesturm" kann wahr oder falsch sein, weil er die Wirklichkeit beschreiben kann und er ist falsch, weil er das eben gerade nicht tut, denn es tobt gerade kein Schneesturm. Aber der Satz "Ich wette mit dir 5 Euro", der beschreibt eben nichts. Wenn ich heirate und sage "Ja, ich will", dann beschreibe ich ja nicht meine Hochzeit, sondern dann heirate ich tatsächlich! Wenn ich dir befehle, mir die Tür zu öffnen, dann will ich damit bei dir eine Handlung auslösen, und nicht eine Situation beschreiben. Austin nennt solche Sätze performative Sätze und meint damit Sätze, die eine Handlung induzieren. Sagen ist dann machen.

Lokutionäre & illokutionäre Akte

Wenn man mir z.B. sagt "Mach jetzt die Studiotür zu", dann weiß ich genau, was man von mir willst. Solche Akte nennt Austin lokutionäre Akte. Du sagst hier ganz klar, was ich tun soll. Austin umschreibt das mit der Formel saying something. Neben den lokutionären Akten gibt es aber auch noch die sogenannten illokutionären Akte. Diese sind sehr viel schwieriger zu erfassen, und deshalb sind sie auch das Kernstück dieser Theorie. Diese Akte sind nicht einfach saying something sondern doing something in saying something. Ein Beispiel: "Ich verspreche, dass ich meine Hausaufgaben machen werde". Doing something in saying something sagt Austin dazu. Dieeser Satz sagt tatsächlich mehr aus, als er eigentlich sagt. Wenn ich etwas verspreche, dann beziehe ich mich auf einen Kontext, in welchem es gilt Hausaufgaben zu machen (z.B. wenn eine Schülerin ihrer Lehrerin eben das verspricht). Außerdem mache ich hier eine Absicht deutlich, von der ich annehme, dass ich sie dem anderen kommunizieren und dieser sie akzeptiert. Dieser Satz funktioniert also nur, wenn vorher schon ganz vieles geklärt ist. Nehmen wir jetzt einmal an, dass wir den Kontext ändern, z.B. wenn eine Angestellte bei einer Bank denselben Satz zu ihrer Chefin sagt. Dann ist klar, dass sie nicht abends tatsächlich am Schreibtisch sitzt und irgendwelche Mathe-Hausaufgaben machen wird, sondern dass sie sich einfach besser vorbereiten will.

Perlokutionäre Akte

Ein anderes Beispiel: "Leasing - ass dat eppes fir Iech?" Je nachdem, wie ich den Satz ausspreche oder in welchem Kontext ich in lese oder höre, hat er eine andere Bedeutung. Wenn ich ein Kunde im Autosfestival bin, dann wird damit angedeutet, dass ich mich vielleicht darauf einlassen sollte. Wenn mir mein Banker angesichts meines sowieso schon leeren Bankkontos diese Frage stellt, will er mich eher davon abhalten, mein Geld darauf zu verschwenden. Dasselbe gilt für den Satz "Es ist heiß hier drinnen". Wenn ich das sage, dann beschreibe ich ja nicht nur einen Zustand, sondern möchte damit auch eine Handlung provozieren, nämlich dass du die Tür oder das Fenster öffnest. Das, was ich bei dir mit meinen Worten bewirke, das nennt man dann einen perlokutionären Akt. Doing something by saying something, wie Austin es zusammenfasst.

Wer sich für die Theorie der Sprechakte interessiert, dem empfehle ich jedenfalls John Searles Buch Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay in welchem er versucht, Austins Theorie weiterzuentwickeln.