Griechenland im April. Während man die Wohnung nur mit Passierschein und aus triftigem Grund verlassen darf, protestieren Ärzte und Pflegepersonal im ganzen Land vor den Krankenhäusern. Sie fordern mehr Corona-Tests, Schutzausrüstung fürs Personal, vor allem aber fordern sie, dass offene Stellen endlich besetzt werden.
Selbst der offizielle, in der Finanzkrise zusammengestrichene Personalschlüssel für die griechischen Krankenhäuser, sieht 5.000 zusätzliche Stellen für Ärzte und 25.000 für Pflegekräfte vor. Entsprechend schlecht ist man für die Pandemie gerüstet.
Das weiß auch die Athener Regierung und zieht früh die Notbremse. Am 10. März, zwei Wochen nach der ersten bestätigten Infektion, schließen größere Schulen, Veranstaltungen werden abgesagt. Nur mit seinen gläubigen Wählern möchte sich der konservative Premier nicht anlegen. Und so feiern Priester noch im März das Heilige Abendmahl - dem griechisch-orthodoxen Ritus zufolge nehmen es alle anwesenden Gläubigen mit demselben Löffel ein.
Erste Maßnahmen
Am Abend des 22. März, zu diesem Zeitpunkt zählt Griechenland 15 Corona-Tote, hält Premier Kyriakos Mitsotakis seine zweite Fernseh-Ansprache. Der Regierungschef kündigt eine strenge Ausgangssperre an. Die Vereinigung der griechischen Krankenhausärzte hatte bereits einen Monat zuvor Maßnahmen zur Eindämmung des Virus gefordert.
Allerdings hätte man sich eher breitflächige Tests und gezielte Quarantänen gewünscht, sagt Panayiotis Papanikolaou, Generalsekretär der Ärztevereinigung, schon allein, um nicht zu sehr in die demokratischen Grundrechte der Bürger einzugreifen.
Medizinesche Mängel
Doch Tests sind in Griechenland Mangelware. Bei 11 Millionen Einwohnern werden anfangs rund 300 Menschen am Tag getestet, inzwischen liegt man bei etwa 3.000 Tests. Die Regierung kündigt außerdem an, 2000 Ärzte und Pfleger einzustellen. Schaut man genauer hin, erweist sich das allerdings als Luftnummer, so Papanikolaou:
"Es sind Ärzte von öffentlichen Praxen in der Provinz in die Krankenhäuser versetzt worden, wodurch ganze Landstriche ohne ärztliche Betreuung geblieben sind. Zusätzlich ist Personal anderer Abteilungen abgezogen und den Corona- und Intensivstationen zugeschlagen worden. Das hat allerdings dazu geführt, dass zehntausende Operationen abgesagt werden mussten."
Eine neue Anstellung gibt es nur für 400 Ärzte und zwar befristet. Nur Pflegepersonal wird in größerem Maßstab rekrutiert. Auch bei den Intensivbetten sieht es schlecht aus: nach internationalen Standards sollte Griechenland über 2000 Intensivbetten verfügen, tatsächlich sind es nur 700. Vor Corona waren es sogar nur 560.
Und bei den Gesundheits-Ausgaben für die Corona-Krise bleibt Griechenland ebenfalls weit hinter anderen EU-Ländern zurück: Schlappe 160 Millionen Euro hat Athen nach Angaben des regionalen WHO-Büros bisher in die Hand genommen, dazu kommen 78 Millionen Euro aus dem Regionalfonds der EU. Dafür gingen 20 Millionen Euro an die Medien - für Aufklärungsspots, die sie ihrem Auftrag gemäß umsonst ins Programm nehmen sollten. Entsprechend groß wird die Athener Regierung medial gefeiert.
Der Lockdown ist keine Dauerlösung
Dabei ist Griechenland kein Einzelfall: auf dem gesamten Balkan sei die Corona-Krise glimpflich verlaufen, sagt Panayiotis Papanikolaou von der Vereinigung der griechischen Krankenhausärzte. Weshalb, das müsse epidemiologisch noch geklärt werden. Sicher habe der frühe Lockdown geholfen, doch auf Dauer sei das keine Lösung:
"Die griechischen Krankenhäuser brauchen mehr Personal, und wir müssen die Möglichkeit für gezielte und medizinisch überwachte Quarantäne schaffen. Und wir müssen großflächig testen. Wir können uns ja nicht zwei Jahre lang vor dem Virus verstecken, mit Schließungen und Ausgangssperren nach dem Rasenmäherprinzip."
Die Athener Regierung indes sonnt sich in ihrem Erfolg, sogar vorgezogene Neuwahlen im Herbst sind im Gespräch. Die Berater des Premiers seien hier allerdings zwiegespalten, heißt es, der Schritt könnte opportunistisch wirken.