Bei seiner Rede am Nationalfeiertag hat Premierminister Xavier Bettel den Klimaschutz und eine nachhaltige Entwicklung propagiert. Das ist gut. Notwendig ist ein Umdenken beim Verkehr, in der Landwirtschaft, bei unseren Ernährungsgewohnheiten. Aber auch beim Bauen. Es muss weniger gebaut und mehr erhalten werden. Wir brauchen den Schutz historischer Gemäuer ebenso wie modernen Wohnraum. Das schließt sich nicht aus. Im Gegenteil: Denkmalschutz kann Wohnraum schaffen. Dafür gibt es in Luxemburg viele gute Beispiele. Ich will hier nur drei Stück nennen.
In Schengen wurde das alte Pfarrhaus aus dem Jahr 1903 in ein Haus mit drei modernen Wohneinheiten umgebaut. Dabei wurde der Charakter des Hauses in der Wäistrooss erhalten. In Colmar-Berg wurde der barocke Nelsons Haff in eine Wohngemeinschaft für sechs Jugendliche umfunktioniert, aus der Scheune wurden drei Einfamilienhäuser. Und in Eisenborn nahe Bourglinster konnte ein Bauernhof aus dem 19. Jahrhundert in vier Einfamilienhäuser umgewandelt werden.
Bausubstanz zu Wohnraum umwandeln ist machbar
All das sind hervorragende Beispiele, wie identitätsstiftende Bausubstanz zu modernem Wohnraum umgewandelt wird - jeweils mit Begleitung des Denkmalamtes. Es geht also. Es ist machbar. Es bietet Wohnqualität. Und es ist so ökologisch, wie es sich der Premierminister wünscht. Doch es verlangt Grips im Kopf und etwas Nachdenken. Unsere Architekten müssen lernen, Bausubstanz zu erhalten und behutsam weiterzuentwickeln, statt alles abzureißen und diese hässlichen weißen Kisten in die Landschaft zu setzen, die in umweltschädliche Außendämmungen eingewickelt sind. Wenn der Premierminister seinen Aufruf ernst meint, müsste er dafür eintreten, dass jedes Haus in Luxemburg erst einmal geschützt wird. Einen Abriss darf es nur geben, wenn ein Umbau aus technischen Gründen unmöglich ist. Abrisse sind zu vermeiden, sie sind ökologische Katastrophen.
Weniger hässlicher Wohnram, mehr identitätsstiftende Bauten erhalten
All das hat der Berliner Schriftsteller Jan Brandt in seinem Buch gut dargestellt. Wenn man das Buch von der einen Seite aufblättert, liest man von "Einer Wohnung in der Stadt". Hier erzählt Brandt von seiner verzweifelten Wohnungssuche in Berlin. Wenn man das Buch von der anderen Seite aufblättert, liest man von "Ein Haus auf dem Land". Hier beschreibt Brandt, wie er das 150 Jahre alte Haus seines Urgroßvaters in einem ostfriesischen Dorf vor dem Abriss retten wollten. Den Abriss konnte er nicht verhindern, eine Wohnung hat er nur mit Glück und Zufall bekommen, zu horrend hoher Miete. Das luxemburgische Problem gibt es also auch anderswo. Überall entsteht hässlicher, steriler Wohnraum, während wir die Häuser unserer Heimat, die Identität stiften, abreißen. Wir müssen das beenden. Wenn man schon keinen Sinn für Tradition hat, dann wenigstens aus Gründen des Umweltschutzes.
Mam Zil, déi ëffentlech Debatt ze fërderen, invitéiert de radio 100,7 am Fräie Mikro Leit aus der Zivilgesellschaft fir aktuell Themen ze kommentéieren. De Fräie Mikro spigelt reng d'Meenung vu sengem Auteur erëm.