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Seismograph

L'objet fait le lien

L'objet fait le lien - so lautet der Slogan der aktuellen Werbekampagne der Luxusmarke Hermès. Was es damit philosophisch auf sich hat und warum nicht alle Objekte verbinden, erklärt Lukas Held.

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3 min

Objekte verbinden

Die aktuelle Werbe-Kampagne der französischen Luxusmarke Hermès ist diese Woche gestartet und hängt in der ganzen Stadt aus. Der Slogan der Kampagne lautet L'objet fait le lien, auf Deutsch etwas plumper mit Objekte verbinden übersetzt - und das hat mich aufhorchen lassen.

Allein schon der Form wegen: das ist so lapidar und zugleich so prägnant, dass es sich dabei auch um ein Lacan-Bonmot oder auch ein Zitat irgendeines französischen Existentialisten handeln könnte. Was aber nicht der Fall ist. Auf den Werbeplakaten sieht man jedenfalls über eben diesem Slogan Menschen, die durch Hermès-Produkte miteinander verbunden zu sein scheinen - so etwa zwei Personen, die durch die berühmten carrés de soie des Hauses lose zusammengebunden sind.

Oder zwei Models, die Schulter an Schulter lehnen und dabei offensichtlich sehr feine und teure Hermès-Lederjacken tragen. Und ein Plakat, auf dem ein Model einem anderen eine Hermès-Handtasche reicht. Aber eben: l'objet fait le lien - und deshalb berühren sich die Models auch niemals wirklich. Nur die Objekte - so der Clou - machen die Verbindung, stellen den lien her zwischen den Menschen.

Gewisse Objekte verbinden

Vielleicht verstanden im Sinne von Vererbung und Tradition. Die teuren Objekte werden von Generation zu Generation vererbt, wie man vom Vater z.B. die teure Uhr vererbt bekommt. Das passt natürlich zu einem Traditionshaus wie Hermès.

Es passt aber auch zu einer Luxusmarke - Objekte verbinden also in dem Sinne, dass man an ihnen seinesgleichen wiedererkennt. Sie verbinden, weil man sich gemeinsam abgrenzen kann - von den anderen, die keinen Zugang dazu haben oder die keine Wertschätzung dafür haben können. Es sind ja auch nicht irgendwelche Objekte, die hier verbinden sollen, sondern Objekte, die kein Mensch braucht.

Ein wichtiges, ein nötiges, ja vielleicht sogar ein lebensnotwendiges Objekt verbindet nämlich nicht. Vielmehr trennt es - nämlich den Stärkeren vom Schwächeren. Deshalb können eben nur gewisse Objekte verbinden, nämlich Objekte, die man nicht braucht und aus denen man zugleich aber auch keinen Profit schlagen will. Ich kann nicht sagen, dass ich eine Verbindung zu meinem Bäcker habe, weil ich mit ihm seine Brötchen gegen mein Geld tausche. Und wenn jemand mir etwas schenkst, ich es aber weiterverkaufe, dann habe ich zwar meinen persönlichen Reichtum vermehrt, aber die Verbindung zu dieser Person habe ich verloren.

Subjekte verbinden sich über Objekte

Eben, deshalb ist der Satz l'objet fait le lien auch unzureichend. Es sind nicht die Objekte, die verbinden und eine Verbindung zu einer Person aufrecht zu erhalten, bloß weil man gemeinsam ein Objekt besitzt, ist nicht besonders ratsam. Unsere Verbindungen äußern sich eben manchmal in Objekten - aber die Objekte sind dabei kein Selbstzweck. Ihr Tausch dient immer einem höheren Zweck, bspw. dem friedlichen Miteinander. Der französische Anthropologe Claude Lévi-Strauss schrieb einmal, dass der Tausch ein friedlicher gelöster Krieg sei - und Kriege eben das Resultat misslungener Tauschgeschäfte.

Der Soziologe Marcel Mauss hat in seinem Werk Die Gabe analysiert, dass es sich beim Tausch nicht einfach nur um eine Transaktion von Gütern handelt, sondern dass solch ein Tausch von einem ganzen Zeremoniell umgeben ist, von Festen, Feiern, Riten und Sprüchen, von Paraden, Musik und Tänzen, die den Handel begleiten und so das Objekt in den Hintergrund treten lassen.

Also, nicht Objekte verbinden, sondern Subjekte verbinden sich über Objekte. Das Objekt ist dabei völlig austauschbar. Was zählt ist die Verbindung - und wie die zustande kommt ist tatsächlich ein großes Mysterium, ja eine beinahe magische Angelegenheit. Wie kommt es, dass wir uns an Menschen binden? Warum fühlen wir uns einer Sache verbunden, warum empfinden wir gewisse Regeln und Gesetze als bindend? Und warum befolgen wir sie? Die Antworten auf diese Fragen passen aber auch auf keinen Hermès-Schal...