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/ Was ist Phänomenologie?

Seismograph

Was ist Phänomenologie?

De 27.4. 1938, en Donneschten viru 85 Joer, ass den Edmund Husserl gestuerwen. Den Husserl ass den Grënnungspapp vun der sougenannter Phenomeenologie an huet wéi keen aneren d'Philosophie vum 20. Joerhonnert gepräägt.

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4 min

Foto: Archiv

Edmund Husserl wurde 1859 in Mähren in der Nähe von Olomuk, also dem heutigen Tschechien geboren, zu einer Zeit, als diese ganze Region noch zum Kaistertum Österreich-Ungarn gehörte. Husserl studierte Philosophie und Mathematik in Leipzig, bevor er dann selbst Professor für Philosophie in Göttingen und schließlich in Freiburg wurde, wo er heute vor 85 Jahren starb. Husserl war zwar kein gläubiger aber gebürtiger Jude - und wurde deshalb in den letzten Jahren seines Lebens von den Nazis verfolgt. Ab 1936 wurde ihm die z.B. Lehrtätigkeit untersagt. Sein wichtigster Schüler - der Philosoph Martin Heidegger - wurde 1933 Mitglied in der NSDAP und sogar Rektor der Universität Freiburg. Heidegger verdankte Husserl eigentlich alles, aber Heidegger verleugnete seinen alten Lehrmeister und strich sogar die Widmung aus seinem Werk Sein und Zeit. Am Ende seines Lebens stand Husserl also sehr alleine da und nur sein Tod bewahrte ihn vor den Konzentrationslagern. Man muss wissen, dass Edmund Husserl graphoman war, seine Schriften umfassen heute an die 40 dicke Bände, man nennt das die Husserliana. Aber dieses Gesamtwerk wäre uns nicht erhalten geblieben, wäre da nicht ein belgischer Franziskanermönch namens Herman Leo Van Breda gewesen. Van Breda schmuggelte die Manuskripte nach Husserls Tod in einer ziemlich krimihaften Aktion über Umwege an die Katholische Universität Leuven in Belgien. Deshalb befindet sich das Husserl-Archiv gar nicht weit weg von hier, eben in Leuven, wo heute noch immer an der Edition von Husserls Werken gearbeitet wird. Husserl schrieb nämlich Stenografie...da muss man schon ganz akribisch nachlesen.

Sinnhorizonte

Ja "Phänomenologie", das ist kein ganz handlicher Begriff, das hört sich etwas kryptisch an. Tatsächlich ist die Phänomenologie aber eine der wichtigsten Strömungen innerhalb der Philosophie, vor allem in Deutschland und in Frankreich, mit klassischen Vertretern wie z.B. Martin Heidegger, Hannah Arendt, Jean-Paul Sartre und Emmanuel Lévinas. Der Grundgedanke der Phänomenologie ist so einfach wie komplex: alles, was wir erleben, ist in einen Sinnzusammenhang eingebettet. Alles was wir erleben - und damit meine ich nicht nur sehen, sondern auch denken und fühlen - ist umgeben von einem Sinnhorizont. Ein Beispuel: Wenn ich aus der Ferne glaube, ein Kind an der Straße zu sehen, dann stelle ich mich auf diese Erfahrung ein, ich denke mir: Wer ist das? Warum bleibt das Kind dort so starr stehen? Bis ich vielleicht merke, dass es gar kein Kind sondern nur eine Mülltonne war, oder eine Puppe. In solchen Momenten der Verwechslung wird deutlich, dass wir nicht nur einfach Dinge sehen, sondern dass diese Dinge immer auch in einen Kontext eingebettet sind.

Zu den Sachen selbst!

Genau, Husserl sagt dass unser Bewusstsein immer Bewusstsein von etwas ist. Unser Bewusstsein ist immer auf etwas gerichtet, es hat immer Inhalt, Antizipationen, Erwartungen. In der Phänomenologie geht es darum, all das zu beschreiben, all die Tätigkeiten, die das Bewusstsein begleiten. Oder anders gesagt: in der Phänomenologie interessiert man sich für die Welt, so wie sie erlebt wird, als ein Phänomen, als etwas Gegebenes, und das vor jeder theoretischen Erfassung oder wissenschaftlichen Verobjektivierung. Was nehme ich wahr, bevor ich dieses etwas vor mir als einen Hund oder ein Flugzeug begreife? Die Aufgabe des Phänomenologen besteht darin "zu den Sachen selbst!" zu gelangen, wie Husserl es einmal forderte. Mal als Beispiel: anstatt - wie z.B. der Geograph - von Wald, Fluss, Berg oder Tal zu sprechen, also in Kategorien zu denken, versuchen die PhänomenologInnen zur erlebten Landschaft zu gelangen. Anstatt die Finger der Pianistin beim Klavierspiel zu beobachten, interessiert sie sich dafür, wie der Körper der Pianistin mit dem Instrument verschmilzt, also wie sie das Musikspiel erlebt.

An den Grenzen des Sagbaren

Husserls letzte Worte an seine Frau sollen gewesen sein: "ich habe etwas gesehen, aber ich kann es dir nicht sagen". Das ist kurz gesagt die schwierige Position der Phänomenologie: man will zu den Sachen selbst zurückkommen, man will zu dem Vorstoßen, was das Erleben ausmacht - aber dabei befindet man sich manchmal jenseits des Sagbaren. Was dazu geführt hat, dass sich die PhänomenologInnen oft auf sehr poetische Weise ausgedrückt haben. Husserl hat sogar vorgeschlagen, dass man die Welt "in Klammern" setzen sollte, damit man sie besser beschreiben kann. Also man sollte so tun, als ob es die Welt nicht gäbe, um dann ganz genau und akribisch zu notieren, was wir alles in den Erfahrungsprozess mit einbringen. Das hat er die sogenannte epokhé genannt. Vielleicht wäre das ja ein guter Tipp für den Alltag: einfach mal die Dinge um einen herum in Klammern setzen, ausblenden, und sich fragen, wie man die Welt gerade erlebt und was man alles in sie hineininterpretiert.

Und sich für die Story um Husserls Manuskripte interessiert, dem empfehle ich das Buch "Der Pater und der Philosoph" von Toon Horsten oder das Buch "Le sauvetage" von Bruce Bégout.