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/ Philosophie am Strand

Seismograph

Philosophie am Strand

Viele von uns verbringen ihren Urlaub am Strand. Warum eigentlich? Was ist das eigentlich für ein Ort und warum fasziniert der Strand uns?

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3 min

Sand, fest und flüssig

Ein Urlaub am Meer ist eine ideale Heranführung an die Welt der Philosophie. Die Erfahrungen, die man am Meer macht, die spezielle ambiance, all das öffnet uns den Weg zu einigen der Grundmotiven des philosophischen Denkens.

Nehmen wir einmal den Sand. In der Kunst verbildlicht die Sanduhr die Vergänglichkeit, d.h. unsere Lebenszeit, die wie der Sand in einer Sanduhr langsam verrinnt. Und wer hat nicht schon einmal träumerisch die Hand in den Sand getaucht und ihn langsam zerfließen lassen und ist dabei vielleicht etwas nachdenklich geworden?

Das Element Sand ist ein interessantes Zwischending, der Sand ist sowohl fest als auch flüssig, er gehört gleichermaßen zum Land und zum Meer. Der Sandstrand markiert passenderweise die Grenze zwischen diesen beiden Territorien - aber es ist eine unklare, eine ungenaue Grenze, denn es ist schwer, Land und Meer klar voneinander zu trennen. Der Sandstrand ist ein Raum der Unbestimmtheit und des Übergangs und der eine Materie, auf die man nicht bauen kann, auf der sich nichts fixieren lässt.

Ist es nicht eine schmerzliche Erfahrung, festzustellen, dass das, was man mühsam erschaffen hat - bspw. eine Sandburg -, durch die Wellen planiert wird, und davon keine Spur mehr übrig bleibt. So, als habe es nie existiert. Und eben diese Erfahrung der Vergänglichkeit dessen, was man mühsam erschafft, ist eine philosophische Grunderfahrung. Sie lässt uns die alltäglichen Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachten und relativieren.

Landlogik und Meerlogik

Es kommt schließlich nicht von ungefähr, dass es so viele Menschen im Urlaub eben gerade an die Strände und an das Meer zieht. Das Meer ist ein anderer Ort als das Land, auf dem Meer denkt man anders als an Land. An Land herrscht die Logik der Grenze. Achte einfach mal darauf, was du siehst, wenn du aus dem Fenster blickst.

Du siehst Wälder, Wiesen, Häuser, du siehst Äcker, Straßen, vielleicht einen kleinen Bach - du siehst eigentlich überall Grenzen, Abtrennungen, du siehst eine gewisse Ordnung, eine Fixierung. Du weißt, wo der für dich zugängliche Raum anfängt und wo er aufhört. Der deutsche Philosoph und Jurist Carl Schmitt ist sogar so weit gegangen zu sagen, dass unser Recht und das Gesetz eben nur dieser Land-Logik entspringen kann, weil nur an Land Dinge wie Eigentum, Zusammenleben, Nachbarschaft, Abgrenzung usw. wirklich Sinn machen.

Sobald man sich von der Küste entfernt ist das Meer ein offener homogener Raum, er wirkt, wie ein unendlicher Raum. Hier haben Begriffe wie Grenze, Grundstück, Ernte, Eigentum usw. nicht mehr den Stellenwert, den sie an Land haben. Und deshalb ist es auch viel schwieriger, hier ein Gesetz walten zu lassen. Der große Philosoph Hegel schrieb einmal: "Das Meer gibt uns die Vorstellung des Unbestimmten, Unbeschränkten und Unendlichen, und [es ermutigt] zum Hinaus über das Beschränkte."

Was Hegel damit meint, ist dass das Meer unseren Unternehmungsdrang, unsere Selbstentfaltung reizt, weil hier eben noch nichts fixiert ist, weil es hier keine Grenzen gibt. Es ist ein Raum offener Möglichkeiten, und vielleicht können wir eben deshalb so gut am Meer entspannen, weil hier ist nichts, was uns hält, weil es keine Grenzen gibt, weil alles offen ist und es zugleich auch nichts festes, nichts Dauerhaftes gibt.

Am Meer ist alles immer vergänglich, auf dem Meer fängt man jeden Tag immer wieder von vorne an. Das ist eine andere Vorstellung von Zeit, als die, die man an Land sieht, mit all seinen saisonalen Farbwechseln. Und am Strand befindet man sich sozusagen zwischen diesen beiden Welten, zwischen Land und Meer, zwischen zirkulärer Meeres-Zeit und linearer Land-Zeit. Und genauso wie der Urlaub eine Zwischen-Zeit ist, so ist der Strand ein Zwischen-Ort.