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/ Leben wir in einer Simulation?

Seismograph

Leben wir in einer Simulation?

Hat Dir schonn eng Kéier en Dram, deen esou realistesch war, datt Dir geduecht hutt, et wier d'Realitéit? Sidd Dir schonn eng Kéier erwächt a wousst net, ob Dir nach am Dram oder schonn an der Wierklechkeet wiert? Wa jo, dann kënnt Dir vläicht novollzéien, wisou et Philosophinnen a Philosophen gëtt déi mengen, datt mir an enger Dramwelt liewen. An ëm dat sougenannt "Dramargument" geet et haut an der Emissioun "Seismograph" mam Lukas Held.

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4 min

Symbolbild. (Foto: Bigstock)

Der Schmetterlingstraum

Das Traumargument ist ein klassisches Topos in der Philosophie und hat dementsprechend eine lange Geschichte. Diese Hypothese besagt, dass wir letztlich nicht wissen können, ob wir gerade wach sind oder ob wir träumen, weil die Wahrnehmungen, die wir im Wachzustand haben nicht unterscheidbar sind von den Wahrnehmungen, die wir haben, wenn wir träumen. Der chinesische Philosoph Zhuang Zi hat dieses Argument wohl als erster formuliert. Sein Text aus dem 3. Jahrhundert vor Christus ist dem Taoismus zuzuordnen, und er ist als der "Schmetterlingstraum" in die Philosophiegeschichte eingegangen: "Einst träumte Zhuang Zi, daß er ein Schmetterling wurde, der beschwingt umherflatterte. Er hatte Freude an sich und folgte allen seinen Regungen. Plötzlich wurde er wach; da war er Zhuang Zi - ganz eindeutig nur dieser. Nun weiß man nicht, ob es Zhuang Zi war, der geträumt hat, er sei ein Schmetterling geworden, oder ob es ein Schmetterling war, der geträumt hat, er sei Zhuang Zi geworden." Es könnte also sein, dass unser Leben der Traum eines anderen Wesens ist - wie z.B. einem Schmetterling.

Cogito, ergo sum

Das relativiert gelinde gesagt natürlich einiges, insbesondere die Ego-Perspektive, mit der wir durch die Welt gehen. Das ist schließlich die Absicht dieser Geschichte, nämlich uns daran zu erinnern, dass unsere Perspektive auf die Welt nur eine von vielen ist, die alle gleichwertig sind. Aber Zhuang Zi sät eben auch den Zweifel an unserer Fähigkeit, die Wirklichkeit zu erkennen. Um diesen Zweifel geht es dem französischen Philosophen René Descartes dann rund 2000 Jahre später, nämlich im 17. Jahrhundert. Descartes bemerkte, dass all die Dinge, die wir im Wachzustand wahrnehmen, ebenso im Traum wahrgenommen werden können, und dass es sehr gut sein könne, dass das, was wir gerade erleben, nur ein Traum sei.

Es gebe nur eine Sache, deren man sich angesichts dieses radikalen Zweifels sicher sein könne, nämlich dass man gerade zweifelt. Und wer zweifelt, der denkt. Und wer denkt, der ist. Cogito, ergo sum. Je pense donc je suis. Was dann übrig bleibt, ist ein denkendes Ich. Die Welt in all ihrer Reichhaltigkeit ist in diesem Prozess des radikalen Zweifels allerdings verloren gegangen. Dieses Moment des cartesischen Zweifels markiert übrigens eine ideengeschichtliche Wende, die das westliche Denken maßgeblich geprägt hat. Denn Descartes trennt nämlich mit seinem Zweifel das Denken vom Fühlen, die sogenannte res cogitans von der res extensa, das Geistige vom Materiellen, die Seele vom Körper.

Wenn das Denken die einzige Sache ist, deren man sich absolut sicher sein kann, dann muss man die Wahrheit auch nur dort suchen. Die Psyche dominiert fortan die Physis - und wir sind heute noch Erben dieser Sicht auf den Menschen. Es reicht sich einmal anzusehen, wieviele oder besser gesagt wie wenige Stunden Sport im Lycée noch auf dem Programm stehen, um dies zu bestätigen.

Simulationsargument

Kommen wir nun aber noch einmal kurz auf die Traumhypothese zurück. Im 21. Jahrhundert hat nämlich der schwedische Philosoph Nick Bostrom, Professor an der Universität Oxford, das sogenannte "Simulationsargument" formuliert. Bostrom zufolge ist es ziemlich wahrscheinlich, dass wir gerade in einer Simulation leben. So ein bisschen wie in einem Videospiel, nur dass wir nicht die Spieler, sondern die Figuren sind. Das klingt erst einmal nach Science-Fiction, ist aber nachvollziehbar, wenn man daran denkt, dass sich die Menschheit allein in den letzten 60 Jahren technologisch enorm weiterentwickelt hat.

Man denke nur einmal kurz daran, dass die Technologie, die wir in unseren Taschen mit uns herumtragen, sehr viel weiter fortgeschritten ist als die Technologie, die die Menschen in den 50er und 60er Jahren ins All und auf den Mond gebracht hat. Wenn wir jetzt annehmen, dass dieser technologische Fortschritt ungebremst weitergeht (und wir uns als Zivilisation nicht auslöschen, was natürlich auch möglich ist), dann werden wir in Zukunft über enorme Rechenkapazitäten verfügen. Das bedeutet wiederum, dass es möglich sein wird, eine virtuelle Welt zu kreieren, die ebenso real wirkt, wie das, was wir gerade erleben.

Es wird möglich sein, eine virtuelle Welt zu kreieren, in welcher alles programmiert ist, ebenso wie in einem großen Videospiel. Und weil das alles möglich sein wird, ist es wahrscheinlich, dass dies schon geschehen ist. Nick Bostrom geht so weit zu sagen, dass wir die Simulation sind: Wir sind sehr fortgeschrittene und bewusste Programme, die denken, fühlen, usw. Wir haben den Eindruck, echte Menschen zu sein - dabei ist all das programmiert von einer fortgeschritteneren Spezies, von einer technologisch überlegenen Zivilisation. Und diese Zivilisation könnte übrigens Millionen dieser Simulationen parallel laufen lassen.

Es könnte daher durchaus sein, dass es noch andere simulierte Welten gibt, die darauf programmiert sind, dass wir die Natur respektieren, wo es den cartesischen Dualismus nie gegeben hat. Oder wo es vielleicht gar keine Philosophie gibt. Oder wo Luxemburg eine globale Supermacht ist und Luxemburgisch die Weltsprache. Wem das zu sehr nach Science-Fiction klingt, muss sich fragen, ob er oder sie glaubt, dass die Menschheit niemals so fortgeschritten und kühn sein wird, so etwas zu unternehmen. Diese Frage muss man für sich selbst beantworten - und daraus die Konsequenzen ziehen.