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Seismograph

Zombies!

Zombies sind ein wesentlicher Bestandteil der Popkultur. Aber kann man auch philosophisch über sie nachdenken? Inwiefern können bewusstlose Untote uns zum Beispiel dabei helfen, das Bewusstsein zu verstehen?

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4 min

Foto: unsplash

Popkultur ist ihre Zeit, in Bilder und Töne gefasst. Ob nun subversiv und klug oder einfach nur affirmativ und blöd: die Popkultur spiegelt die herrschenden Verhältnisse wider. Ein Beispiel: Wussten Sie, dass Vampirfilme ihre Glanzzeit haben, wenn im Weißen Haus in Washington die Demokraten an der Macht sind? Und dass, auf der anderen Seite, Zombiefilme Hochkonjunktur haben, wenn die Republikaner dort das Sagen haben?

Der Grund dafür leuchtet schnell ein: Die jeweiligen Filme bilden das ab, vor der sich die zu diesem Zeitpunkt herrschende Mehrheit am meisten fürchtet. Einem Demokraten sind die blutsaugenden Bourgeois in ihren Schlössern - also anders gesagt die Banker von der Wall-Street - unheimlich. Die Republikaner fürchten sich hingegen vor der hirntoten Masse der Zombies, d.h. vor dem Aufstand von unten, vor der Vereinigung der Proletarier aller Länder oder - etwas bescheidener aber nicht weniger furchteinflößend - vor dem Warnstreik der Gewerkschaften.

Zombies und Vampire

Der Zombie ist unzufrieden mit seinem Zustand, er möchte leben, und nicht begraben sein. Er möchte hochkommen, anstatt sein Leben im Untergrund zu fristen. Deshalb rottet er sich mit anderen zusammen, um sein Recht geltend zu machen. Der Vampir hingegen lebt zwar (zumindest nachts), aber er möchte besser leben, er will seine unbändige Gier nach Blut stillen. Er ist ein Parasit, der vom Unschuldigen lebt. Das muss er zuerst verführen, um es dann auszusaugen. Auf der einen Seite die debile und unkontrollierbare Masse der Zombies und auf der anderen Seite die elitären Blutsauger, die armen Untertan erst verführen und dann leertrinken.

Man sieht an diesem Vergleich: Vampire und Zombies sind politische Metaphern für das, was man am jeweils anderen ebenso hasst wie fürchtet. Beides - Zombie wie Vampir - sind tatsächlich sich ausschließende Feindbilder. Der Beweis: Filme, in denen Vampire und Zombies gleichzeitig auftauchen, sind meistens ziemlich schlecht. Ein aus dem Reich der Untoten ins Leben gerufene Blutsauger ist nicht sonderlich glaubwürdig.

Angst vor dem Zombie-Virus

Bleiben wir noch einen Moment beim Zombie. Denn der Zombie als kulturelles Phänomen ist längst nicht ausgestorben. In der aktuell laufenden HBO-Serie The Last of Us, die auf einem sehr bekannten Videospiel basiert, verwandelt eine Art Pilz die Menschen in hirnlose und aggressive Zombies. Die gesunden Menschen haben sich in abgesperrten und streng bewachten Quarantäne-Zonen zusammengefunden, um der grassierenden Pandemie zu trotzen. Popkultur ist wie gesagt ihre Zeit, in Bilder gefasst.

Hinter solchen Szenarien steckt die ganz reale Angst vor dem Zombie-Virus, das aus den Untiefen (bspw. des antarktischen Eises) über die Welt hereinbricht und uns alle infiziert, uns alle zu Zombies macht. Die Angst vor den sogenannten Revenants, den Wiederkehrern, den Untoten, ist tatsächlich so alt wie die Menschheit.

Philosophische Zombies

Zombies sind bewusstlose Wesen. Sie sind keine Subjekte, sie haben keine Sprache, keine Identität. Um sie zu töten, muss man sie eben da treffen, wo nichts ist - nämlich ins Hirn. Dass der Zombie kein Bewusstsein hat, macht ihn für die Philosophie interessant, denn die Philosophie beschäftigt sich seit jeher mit der Frage, was unser Bewusstsein ausmacht.

Der australische Philosoph David Chalmers konzipierte in seinem Buch The Conscious Mind von 1996 ein Gedankenexperiment vor, das er den philosophischen Zombie nennt. Diesen Zombie muss man sich als eine Art Zwillingsbruder oder -schwester vorstellen: eine äußerlich identische Kopie meiner selbst. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass beim Zombie keiner zu Hause ist, er also kein Bewusstsein hat. Dieses Wesen kann handeln, reagieren und denken wie ich selbst, es ist psychologisch identisch mit mir. Dieses Wesen ist sogar irgendwie "da", insofern es wach ist, mit mir sprechen kann, auf meine Fragen antwortet, und mir sogar sagen kann, wie es sich gerade fühlt.

Ich könnte den Zombie sogar neurologisch untersuchen und tatsächlich irgendwelche Hirnströme nachmessen. Aber bei alledem - und das ist der springende Punkt - bin ich niemals wirklich sicher, dass dieses Wesen ein Bewusstsein hat.

Kann Immaterielles bewusst werden?

Was will uns David Chalmers mit diesem Gedankenexperiment zeigen? Er will uns zeigen, dass wir trotz unseres Verständnisses der physiologischen Prozesse im Gehirn, nicht in der Lage sind, das Phänomen des Bewusstseins vollständig zu erklären. Das bedeutet m.a.W., dass es eine Art von Phänomenen gibt, die über die materiellen Prozesse des Gehirns hinausgehen. Und dazu zählt Chalmers das Bewusstsein. Aber wenn das der Fall ist, wenn man das Bewusstsein nicht aus der Materie allein heraus erklären kann, könnte dann im Umkehrschluss etwas Immaterielles bewusst werden? Anders gesagt: könnten ChatBots irgendwann vielleicht dennoch bewusst werden? Diese Frage ist aktueller denn je - wir lassen sie hier einmal dahingestellt.

Ob nun als politische Feindbilder, oder als philosophische Gedankenexperimente: es ist sehr ergiebig, mit und über Zombies nachzudenken. Und sei es auch nur als Ausrede, um sich die alten Zombie-Splatterfilme aus der Jugend noch einmal mit gutem intellektuellen Gewissen anzusehen.