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/ Evke Rulffes: Die Erfindung der Hausfrau

Buchrezension

Evke Rulffes: Die Erfindung der Hausfrau

Der Mann geht arbeiten, die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder. Seit den 1970-ern steht diese Rollenverteilung auf dem Prüfstand. Der Anteil der Nur-Hausfrauen ging seither deutlich zurück. Aber die Rollenmuster erweisen sich als hartnäckig. Evke Rulffes beleuchtet in ihrem Sachbuch "Die Erfindung der Hausfrau" Vergangenheit und Gegenwart.

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2 min

Foto: Unsplash / Scott Webb & HarperCollins

In den Zeiten von Corona erlebt das "traditionelle" Rollenmodell eine Renaissance: Vom Homeschooling bis zum Homecooking - die unbezahlte Haus- und Care-Arbeit bleibt größtenteils an den Frauen hängen.

Dass diese Rollenverteilung gar nicht so traditionell ist, wie gerne dargestellt wird, das erörtert Evke Rulffes in ihrem Buch über die Erfindung der Hausfrau. Die Erfindung der Hausfrau geht auf die bürgerliche Mittelschicht des 19. Jahrhunderts zurück.

Von der "Hausmutter" zum "Hausmütterchen"

Neu an diesem Modell ist, dass Kinder, Haus und Herd nun in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Frauen fallen. Außerdem wird die Rolle der Frau in der Öffentlichkeit auf die Außendarstellung der Familie beschränkt.

Hier zeigen sich eklatante Unterschiede zu früheren Modellen, z. B. zur Hausmutter, deren Aufgabe es war, die Arbeit im Haus und auf dem Hof an Angestellte und Dienstleister zu delegieren, zu organisieren und zu überwachen. Durch ihre Verwaltungstätigkeit trug sie zum Vermögen des Haushalts bei.

Bei der Hausfrau hingegen konzentrieren sich die anfallenden Arbeiten auf eine Person, ihr Wirkungskreis ist eingeschränkt. Sie wird von der Hausmutter zum "Hausmütterchen" degradiert.

Die vielen Jobs der Frau

Evke Rulffes geht der Frage nach, wie es zu der Entwertung der Rolle der Frau kommen konnte, obwohl die neue Rolle mit hohen Ansprüchen einher ging.

Denn die Frauen sollen nicht nur mehrere Jobs erledigen, sondern diese auch noch möglichst perfekt. Die perfekte Hausfrau ist Mutter, Kindergärtnerin und Hausaufgabenhilfe, Köchin, Putzfrau, Zeit-Managerin und Finanzverwalterin und trägt durch Stricken, Nähen, Einwecken etc. dazu bei, die finanziellen Ressourcen zu schonen.

Denn die Tatsache, dass Hausfrauen keine Lohnarbeit verrichten, wirkt sich selbstverständlich auch auf die Einkünfte der Haushalte aus.

Andererseits dienten die schlechte Bezahlung von Frauen und die Doppelbelastung durch Beruf und Haushalt lange als zugkräftige Argumente, mit denen das Hausfrauendasein beworben und rechtfertigt wurde.

Einblick in den sozialen und kulturellen Wandel

Als Aufhänger für ihre Abhandlung hat Evke Rulffes sich ein Hausmutter-Buch von 1778 vorgenommen, in dem die Zuständigkeitsbereiche der Hausmutter detailliert beschrieben werden. Ausgehend von dem Ratgeber zeichnet sie die Entwicklung von der Hausmutter zur Hausfrau nach und gewährt Einblick in den sozialen und kulturellen Wandel von der Still-Debatte bis zur juristischen Stellung der Frau.

Dabei fördert die Kulturwissenschaftlerin allerlei Kuriositäten zutage, die heutzutage nur noch Kopfschütteln hervorrufen. Aber sie leitet daraus auch Verhaltensmuster und Vorurteile ab, die nach wie vor die gesellschaftliche Debatte bestimmen - angefangen bei den sogenannten Rabenmüttern bis zu den Helikopter-Müttern.

Evke Rulffes appelliert in "Die Erfindung der Hausfrau" nicht für die Abschaffung der Hausfrau, sondern für die Aufwertung der Hausfrau. Ihr Buch endet folglich mit einem Plädoyer für eine angemessene Bezahlung der Haus- und Care-Arbeit.