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Seismograph

Der Wille zur Yacht

Im Rahmen der Wirtschaftssanktionen gegen Russland werden die Superyachten der russischen Oligarchen beschlagnahmt. Was ist das eigentlich für ein Objekt - die Superyacht? Und was sagt deren Existenz über unsere Gesellschaft aus?

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4 min

Foto: Archiv

Es ist eine Anekdote am Rande der schrecklichen Meldungen, die uns im Rahmen des Ukraine-Kriegs alltäglich erreichen: vor zwei Wochen haben die italienischen Behörden die größte Yacht der Welt beschlagnahmt. Das Schiff, dass 143 m lang und 530 Millionen Euro wert ist, gehört dem russischen Oligarchen Andrei Melnitschenko, der dem russischen Präsdidenten Vladimir Putin nahesteht. Er ist nicht alleine: überall auf der Welt werden gerade die Yachten russischer Oligarchen beschlagnahmt. Grund genug, einmal über dieses Objekt Yacht nachzudenken.

Es ist nicht selbstverständlich, dass es so etwas wie eine Yacht gibt

Vorneweg: es ist nicht selbstverständlich, dass ein solches Objekt existiert. Es wirkt zwar selbstverständlich - so selbstverständlich, dass man die Yacht schon mitdenkt, wenn man das Wort Oligarch hört. Es ist jedoch nicht selbstverständlich. Was sich im Sommer an der Côte d'Azur und im Winter in der Karibik auf dem Meer tummelt, ist die Inkarnation totaler Dekadenz.

Und Dekadenz ist nicht selbstverständlich. Es hätte hier gar keinen Sinn, die Standard-Charakteristika der Superyachten aufzuzählen - es gibt keinen Standard, alles ist hier möglich. Von der Regen-Dusche, die statt Wasser Champagner aus der Decke tropfen lässt, über den Heliport, das bootseigene U-Boot, das Multiplex-Kino, den Weinkeller, vom Kronleuchter, über die Tennis-Plätze, bis hin zu komplett verglaste Swimmingpools - es ist wie gesagt alles möglich für diejenigen, die es sich leisten können.

Gar nicht zu sprechen von den Unterhaltskosten. Die größte Yacht der Welt verbraucht - halten Sie sich fest - 2000 Liter Sprit pro Stunde. Eine Tankfüllung kostet 1,5 Mio Dollar. Ein teures Hobby - vor allem für die Umwelt. Konservativen Rechnungen zufolge produziert eine Superyacht - damit bezeichnet man Yachten über 30m Länge - so viele Abgase wie 200 Autos zusammen.

Yachten sind eine ökologische Katastrophe, in jeder Hinsicht. Hinzu kommt, dass diese Superyachten in internationalen Gewässern herumkreuzen, was rechtliche Grauzonen sind - auch und insbesondere in Sachen Besteuerung. Deshalb sind viele Yachten auch in Steuerparadiesen angemeldet - oder Steuerhöllen, wie man sie besser nennen würde. Diese juristischen Grauzonen führen auch dazu, dass das Personal, dass auf diesen Schiffen arbeitet, gar keine Stimme hat. Es gibt investigative Berichte, die zeigen, dass auf den meisten privaten Yachten moderne Sklaverei praktiziert wird - natürlich wird keiner der Besitzer dafür zur Rechenschaft gezogen.

Die Yacht als Sinnbild des Superreichen

Man könnte das nun als eine Bagatelle abtun, als ein caprice einiger reicher Leute, die sich eben auf dem Meer amüsieren. Aber tatsächlich sagt sie etwas über unsere Welt aus - und betrifft uns ganz direkt. Denn eigentlich ist die Yacht nicht nur ein Statussymbol für den Superreichen, sie ist m.E. dessen Sinnbild. Die Superreichen haben keinen Respekt für die Umwelt und für das Meer, auf dem sie herumdümpeln. Sie geben der Gesellschaft nichts bzw. viel zu wenig zurück, sie sind nicht solidarisch, sie zahlen zu wenige Steuern, sie beuten die Menschen aus. Sie sind absolut nicht betroffen von ökonomischen Umschwüngen und auch nicht wirklich von wirtschaftlichen Sanktionen.

Man muss es ganz deutlich sagen: die Superreichen leben nicht in derselben Welt wie wir. Jemand, der auf einer Superyacht lebt, lebt nicht in derselben Welt wie der Rest der Menschheit. Das ist nicht nur ein Nebeneffekt des Reichtums. Ich denke es ist klar, dass die Superreichen gar nicht in derselben Welt leben wollen wie wir, sie wollen aus ihr flüchten - ob nun mit der Yacht auf das weite Meer oder im eigenen Raumschiff ins All. Der Tenor ist in beiden Fällen gleich: wir Superreichen leben nicht in derselben Welt wie ihr.

Moderne Archen

Die Raumschiffe und Superyachten der Superreichen sind moderne Archen. Nur, dass im Gegensatz zum biblischen Vorbild die Archen in diesem Fall selbst die Flut auslösen. Denn es ist ja nicht so, dass diese superreichen Menschen uns in Ruhe ließen. Im Gegenteil, sie versuchen, unsere Welt nach ihren Vorstellungen zu verändern. Ich denke da an Leute wie Donald Trump, aber auch an Vladimir Putin, der ziemlich sicher ein Oligarch ist, aber auch ein Milliardär.

Ich denke auch und aus Anlass der Wahlen in Frankreich an jemanden wie Vincent Bolloré. Bolloré ist ein französischer Multimilliardär und Besitzer von Canal +, der aktiv den rechtsextremen Kandidaten Eric Zemmour unterstützt. Was für eine Welt hinterlassen diese Menschen uns, während sie sich in ihre Archen retten? Wohin retten wir uns, wenn die metaphorische Flut kommt, wenn rechtsextreme an der Macht sind während die Natur langsam aber sicher stirbt? Insofern liegt eine gewisse Genugtuung darin zuzusehen, wie einige dieser Schiffe jetzt beschlagnahmt werden.

Natürlich sollte man sich keine Illusionen machen und in Robin-Hood-Romantik schwelgen: es ist unwahrscheinlich, dass die Schiffe in Staatshand bleiben. Ich würde mir dennoch wünschen, dass diese Boote der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden - aber das auch nur, weil es zu kostspielig wäre, sie zu zerstören.

Denn seien wir mal ehrlich: was macht le commun des mortels mit einer 180 Meter Yacht mit Champagnerdusche. Letztlich ist die Frage erlaubt: dürfen solche Objekte überhaupt existieren? Warum lassen wir das zu, warum wird das toleriert? Und darüber hinaus: darf es Menschen geben, die sich solche Dinge leisten können? Es ist nicht selbstverständlich, dass es Yachten gibt. Und es ist nicht selbstverständlich, dass es Superreiche gibt. Beides sollte es nicht geben.