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/ Hans Ulrich Gumbrecht iwwer den Denis Diderot

Am Gespréich

Hans Ulrich Gumbrecht iwwer den Denis Diderot

Den Hans Ulrich Gumbrecht ass e renomméierte Literaturwëssenschaftler, Romanist a Publizist. Nodeems hie vun 1989 bis 2018 e Léierstull fir Komparatistik un der Stanford University hat, ass den 73-järege ewell Gaaschtprofesser op Unien op der ganzer Welt. Hien huet och eng Rei Bicher publizéiert, seng aktuell Publikatioun ass "Prose of the World: Denis Diderot and the Periphery of Enlightenment.", dat elo och op Däitsch ënner dem Titel "Prosa der Welt. Denis Diderot und die Peripherie der Aufklärung" beim Suhrkamp Verlag erauskoum. De Gumbrecht war kierzlech op Invitatioun vum Institut Pierre Werner zu Lëtzebuerg. D'Valerija Berdi huet mat him iwwer säi Wierk geschwat.

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4 min

Denis Diderot, wiem ass de franséische Philosoph, Iwwersetzer, Konscht- a Literaturkritiker, Enzyklopedist a Schrëftsteller, bedeitende Vertrieder vun der europäescher Opklärung, kee Begrëff? Jacques le fataliste et son Maître, La Réligieuse, Le Neveu de Rameau, Les Bijoux indiscrets an natierlech seng Encyclopédie hunn hien nieft all sengen anere Schrëften onvergiesslech gemaach.

"Il n'y a que les passions et les grandes passions qui puissent élever l'âme aux grandes choses," seet den Diderot.

Wéi koum dem Hans Ulrich Gumbrecht seng Passioun fir de franséische Philosoph?

"Es gibt zwei Perspektiven von dem Enthusiasmus, ich habe mein letztes Gymnasialjahr im Lycée Henri IV in Paris gemacht, gegenüber dem Pantheon, und auf meinem Schulweg, ich wohnte mit meiner Familie am Boulevard Saint-Germain, bin ich immer am Diderot vorbeigegangen, da wusste ich schon irgendwie, dass es ihn gibt, aber irgendwie war mir die Statue sympathisch und das war der Grund, warum ich in meinem erste Semester als Student an der Universität München, als Student der Romanistik, (...) dann die "écrits ésthetiques de Denis Diderot" und um ein starkes Wort zu gebrauchen, ich habe mich in Denis Diderot verliebt."

Den Diderot wier schonn ëmmer ee vu senge léifsten Auteure gewiescht, mee am Fong geholl géif hie seelen a wéineg iwwer seng Liblingsauteure schreiwen, seet de Gumbrecht:
"Über Borges habe ich nie geschrieben."

Datt et dann awer dozou komm ass, datt hien iwwer den Diderot elo geschriwwen huet, huet de Gumbrecht och sengem Kolleeg, dem Literaturtheoretiker Karl-Heinz Bohrer ze verdanken.

"Es ist auch keine Biografie, keine Monografie, sondern mein Punkt war, herauszufinden, was spezifisch an Diderot ist, es gibt zu Diderot sehr viel Literatur, aber die ist eigentlich zentrifugal, man konzentriert sich auf den einen Text, auf den anderen Text, auf die These oder jene These. Ich sage immer, wann man die drei große Philosophen des 18. Jahrhunderts in Frankreich sieht, Voltaire, Rousseau und Diderot, Voltaire steht für die Emergenz der Öffentlichkeit, weil er darüber geschrieben hat, aber vor allem durch seine Briefe, ein Teil der Entstehung dieser Öffentlichkeit war. Rousseau ist, neben vielen anderen, vor allem der große Philosoph der Gleichheit, das ist ein zentrales Thema des 20. Jahrhundert, und Diderot war der Liebling der Franzosen, aber Diderot hat nicht in dem Sinn eine intellektuelle Identität gehabt, wie das der Fall war für Voltaire, für Rousseau und andere im 18. Jahrhundert."

Et wier him kloer ginn, datt hien seng Onwëssenheet iwwer d'Grënn vu senger Sympathie fir den Diderot mat aneren Diderot-Experte géif deelen, schreift de Gumbrecht am Virwuert vu sengem Buch. Dem Diderot seng Prosa géif bei ville Lieser Sympathie erwächen a schéngt sech awer all Versuch vun enger ëmfaassender Beschreiwung ze entzéien,
Dowéinst hätt hien och mol säi Projet wëllen opginn:

"Ich hatte zunächst die Intuition, dass ... also, nicht endlich, der Diderot-Moment gekommen ist, das wäre zu hegelianisch gedacht, zu geschichtsphilosophisch gedacht, aber in dem Moment, dass es eine Affinität zu Diderot in diesem frühen 21. Jahrhundert gibt. Es war gar keine wissenschaftliche These, sondern das fällt einem einfach auf, wenn man mit Leuten redet, oder wenn ich von Diderot erzählt habe, Diderot-Seminare gemacht habe zu Stanford, das war eine kleine Gruppe aber eine sehr starke Reaktion, sie waren alle sehr begeistert. Der Punkt des Buches ist herauszufinden, ob es eine solche Affinität gibt, und wenn es diese Affinität gibt, worauf sie beruht, aber auch was eine solche Reflexion uns sozusagen als vielleicht zentral in einem intellektuelle Profil von Diderot erkennen lässt."

Et kéint ee soen, an dat géif och säi Buch confirméieren, keen Zentrum fir den Diderot ginn.

"Ich denke, man kann sagen, man assoziiert ihn zunächst mit der Herausgeberschaft, der Organisation tatsächlich der Encyclopédie und das ist sicher biografisch gesehen und von der zentrale Leistung her gesehen richtig, aber Encyclopédie organisieren bedeutet ja auch nicht ein intellektuelles Zentrum haben. Also, Diderot hat etwa 60 der großen Artikel in der Encyclopédie geschrieben, gar nicht so viel, aber die Themenbreite ist ungeheuer, von Boucher bis Esprit. (...) Es gibt nicht das, was man einen gemeinsamen Nenner nennt."